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Büchervitrine: Dachs und Stinktier

Das Wichtigste bei Vorlesebüchern: nicht nur Kinder sollten Spass haben beim Zuhören, sondern auch die Erwachsenen beim Vorlesen. Ein Buch, welches diese Kriterien auf ganzer Linie erfüllt und sich schon mit den ersten Sätzen einen Platz ganz vorne in der Rangliste meiner Lieblingsvorlesebücher ergattert hat, ist «Dachs und Stinktier» von Amy Timberlake. Allein schon die Idee, als Protagonisten für einmal nicht Hasen, Bären, Igel oder Mäuse zu nehmen, sondern zwei Waldtiere, die sonst nicht im Rampenlicht stehen, ist Applaus wert.

Und so beginnt die Geschichte: «Als Dachs Stinktier zum ersten Mal sah, dachte er mickrig und schloss gleich wieder die Tür. Normalerweise tat er das nicht, wenn Tiere bei ihm anklopften. Doch der hatte einfach zu viel Gel im Streifen und der Schwanz war viel zu aufgeplustert. Und dann noch dieses Grinsen und die Art, wie er seine Pfote ausstreckte, als wenn er sich schon die ganze Zeit gefreut hätte, Dachs zu treffen.» In ganz wenigen Zeilen wird schon mächtig schlechte Laune verbreitet! Die bessert sich auch nicht, als Dachs feststellen muss, dass sich dieser ungebetene Gast nicht so einfach ignorieren lässt, vertreiben schon gar nicht. Kurzerhand drückt er sich an Dachs vorbei in dessen Höhle, schüttelt ihm mit unfassbar guter Laune die Hand und macht keine Anstalten, bald wieder zu gehen. Im Gegenteil: anscheinend hat ihm Tante Lula- der gehört nämlich die Dachshöhle-ein Zimmer bei Dachs versprochen und einen eigenen Schlüssel. Mit anderen Worten: Stinktier ist der neue Mitbewohner! Mitbewohner? Niemals! Dachs ist passionierter, leidenschaftlicher, langweiliger Einzelgänger, der nichts mehr liebt, als wenn jeder Tag gleich verläuft wie der vorherige und sich möglichst niemand in sein Leben einmischt. Schon gar nicht ein redseliges, übergriffiges, übertrieben gut gelauntes Stinktier mit aufgeplustertem Schwanz und laut gackernden, unruhigen, wuseligen Hühnern als Freunde. Streit ist da natürlich schon vorprogrammiert und der wird auch nicht eben zimperlich ausgetragen. Dachs tut sein Bestes, um seinem Mitbewohner möglichst schnell die Laune zu verderben und ihn loszuwerden, doch leider beisst er da auf Granit. So schnell lässt sich ein Stinktier nicht vertreiben; schliesslich hat es Zeit seines Lebens die Erfahrung gemacht, dass es nicht gerade weit oben steht auf der Beliebtheitsskala der Tiere und sich deshalb ein dickes Fell zugelegt. Als Dachs am ersten Morgen von einem wunderbaren Frühstücksduft geweckt und von Stinktier mit Köstlichkeiten verwöhnt wird, scheint es fast schon so, als könne aus den beiden doch noch Freunde werden. Doch der Friede hält nicht lange an: «Ich nehme an du räumst noch die Küche auf?». «Natürlich nicht», sagte Stinktier nüchtern. «Ich koche. Du putzt. Ist ein Naturgesetz.» Genau solche Dialoge sind es, die dieses Buch so lesenswert machen und einem beim Vorlesen immer wieder laut herauslachen lassen! Das man einen unglaublich schlecht gelaunten Dachs und ein zugegeben ziemlich anstrengendes Stinktier einmal so ins Herz schliessen kann, hätt ich mir nicht träumen lassen! Bereichert wird die Geschichte mit Illustrationen von Jon Klassen, den wir von Bilderbüchern wie «Wo ist mein Hut?», «Dunkel» oder «Dreieck, Kreis, Quadrat» kennen, welche mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurden. «Dachs und Stinktier» ist ein Gesamtkunstwerk und ein Lieblingsbuch, welches in keiner Familienbibliothek fehlen darf!

Amy Timberlake: Dachs und Stinktier. Mit Illustrationen von Jon Klassen Übersetzung: Uwe-Michael Gutzschhahn CBJ 2020

Veröffentlicht am 03.11.2020

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